Flutlicht-Melancholie oder: Wohin geht die Reise?

07

Die Flutlichtmasten am Millerntor sind Geschichte. Dank einer Initiative unseres Mitglieds Olaf Bartsch leben Teile von ihnen weiter im zukünftigen FC St. Pauli-Museum – doch auch für ihn war der Abschied von Nordkurve und Flutlicht mit viel Melancholie verbunden. Hier Olafs Gedanken.

„Was soll ich schreiben? Mir fehlen die Worte. Die Flutlichtmasten sind demontiert und die Stehtraversen der Nord sind abgetragen. Damit ist jetzt auch der letzte Rest des alten Stadions verschwunden.

Irgendwie habe ich es geschafft und stand im kahlen Norden im Matsch, als auf der gegenüberliegenden Seite der letzte Flutlichtmast mit einem lauten „Knarrrks“ geknickt wurde. Während der Flutlichtträger langsam herabgelassen wurde, kam irgendwer im Stadion auf die Idee, höllenlaut die Hells-Bells-Glocken läuten zu lassen.

Ich wurde Zeuge einer Beerdigung. Das alte Millerntor wurde zu Grabe getragen. Der Tod kam auf Raten, Tribüne für Tribüne wurde dem Millerntor über die Jahre genommen. Eigentlich fühlte ich mich gut vorbereitet. Doch jetzt stand ich noch einmal mit offenen Mund ganz still da: Dieser kurze Moment machte es endgültig. Es ist vorbei.

Also habe ich mich in Arbeit gestürzt und Flutlichtlampen, Wellenbrecher und ein paar Steine der Stehtraversen in die Museumsräumlichkeiten geschleppt Aber auch das hilft mir nicht wirklich: Durch eine Ausstellung im Museum wird das alte Millerntor nicht wieder lebendig. Unsere Reise in einem Stadion mit 4 neuen Betontribünen geht ins Ungewisse. Um uns herum wachsen immer mehr Vereine wie Klone aus demselben Reagenzglas heran und werden zu den heimlichen Vorbildern der Traditionsvereine.

Vielleicht kann uns das Museum auf unserem Weg in unsere Zukunft daran erinnern woher wir kommen und wer wir sind. Was könnten die Red Bulls dieser Welt in einem Museum schon ausstellen? Cola-Dosen (oder wie das Zeugs heisst…).

Eine Identität ist unbezahlbar, die macht auch in der 3. Liga das Stadion voll wenn’s mal ganz hart kommt und wenn’s gut läuft bleiben wir erkennbar. St.Pauli ist mehr als Fussball und Punkrock und manchmal anders als man denkt – never forget.“

Olaf Bartsch

… ist aktives Mitglied der AG Archiv/Sammlung bei 1910 e.V., hilft als agiler “Infobesorger” für Holger und Veronika Tribian in Duisburg beim Bau des Miniatur-Millerntors und ist “Uhrenpapa” der neuen “alten” Analog-Uhr am Millerntor. Vielen ist er auch als Stadionguide und durch sein Tagebuch zur Rekonstruktion des Millerntors bekannt, die er auf www.millerntor.net auch fotografisch begleitet.