FAST UNVERGESSEN: RENÉ MÜLLER

Ein Freitagabendspiel im September 1994 – es regnet in Strömen am Millerntor. Der FC St. Pauli steht im Tabellenkeller der Zweiten Liga, aber gegen den VfB Leipzig, zu DDR-Zeiten noch Lokomotive Leipzig, soll endlich der erste Saisonsieg eingefahren werden. Früh gehen die Leipziger in Führung. Dann ein vermeintlich harmloser Freistoß für die Gäste. Aus knapp 35 Metern zieht Holm Pinder einfach mal ab. Der eigentlich ungefährliche Ball klatscht auf dem nassen Rasen auf, St. Paulis Torhüter René Müller beugt sich runter, doch der Ball rutscht ihm zwischen den Beinen durch und über die Torlinie. Wie paralysiert sackt Müller in sich zusammen, das Gesicht tief in den Händen vergraben. Was für ein Fehler. Ausgerechnet Müller. Ausgerechnet gegen Leipzig.
Als der FC St. Pauli zur Saison 94/95 Torhüter-Schwergewicht René Müller verpflichtete, staunte die Konkurrenz nicht schlecht. Müller war eine lebende Legende des DDR-Fußballs: 265 Spiele in der damaligen DDR-Oberliga für Lokomotive Leipzig, 3 mal Pokalsieger, 81 Bundesligaspiele für Dynamo Dresden, 46 Länderspiele, 39 Europapokalspiele, 1986 und 1987 Fußballer des Jahres in der DDR und als Höhepunkt das Finale im “Europapokal der Pokalsieger” gegen Ajax Amsterdam im Jahr 1987. Damit konnte kein Spieler im Kader des FC St. Pauli auch nur ansatzweise mithalten. Doch schon die Verpflichtung erwies sich als zäh. Dynamo Dresdens berüchtigter Manager Rolf-Jürgen Otto wollte mit dem Verkauf von Müller den maroden Club im Alleingang sanieren und rief eine Ablöse von 450.000 Mark aus. St. Pauli lehnte ab. Da zuvor schon ein Transfer nach Nürnberg an der Ablösesumme gescheitert war, wurde es Müller zu bunt: “Da habe ich Otto angerufen und gesagt: Wenn er mit dem Preis nicht auf 100.000 Mark runtergeht, dann beende ich meine Karriere und Dynamo bekommt keinen Pfennig”. Der Transfer klappte in letzter Minute und Müller wurde der bis dahin teuerste Torwart-Transfer der braun-weißen Vereinsgeschichte.
Doch ähnlich wie sein neuer Arbeitgeber kam auch Müller schwer in die Saison – schlechte Ergebnisse und schwache Leistungen im Tor ließen die Euphorie am Millerntor schnell verfliegen. Der Torhüter sagte dazu später: “Eigentlich hätte ich schon vorher aufhören müssen, denn mein Knie war kaputt und das eigentlich schon als ich 27 oder 28 Jahre alt war”. Müller stand immer öfter in der Kritik und ausgerechnet gegen Leipzig, den Verein mit dem er seine größten Erfolge feierte, patzte er folgenschwer und brachte St. Pauli um den dringend benötigten Sieg. Es sollte sein letztes Spiel in Braun-Weiß sein. Trainer Uli Maslo setzte von da an auf Klaus Thomforde, dessen Leistungen einer der Bausteine für den Bundesligaaufstieg am Saisonende waren. Dem gebürtigen Leipziger blieb nur die Bank, bis er dann im Laufe der Saison durch Verletzungen komplett ausfiel.
Er sagte später über die Zeit am Millerntor: “Ich hatte ein schönes Jahr auf St. Pauli, ich hätte mich gerne durchgesetzt, aber mein Körper wollte nicht mehr”.
René Müller bleibt als damaliger Rekordtransfer und Teil der Aufstiegsmannschaft ‘95 natürlich #FastUnvergessen!