Nachruf auf Erwin Türk

Trainer Erwin Türk (l.) mit FC St. Pauli-Spieler Günther Hoffmann im Sommer 1969 (Foto: Witters)
Trainer Erwin Türk (l.) mit FC St. Pauli-Spieler Günther Hoffmann im Sommer 1969 (Foto: Witters)

Von 1968 bis 1971 coachte Erwin Türk das Ligateam des FC St. Pauli in der zweitklassigen Regionalliga Nord. Eine Woche vor seinem 91. Geburtstag ist Türk am 5. November im ostfriesischen Leer-Logabirum „an einem sonnigen Morgen … friedlich und in Würde zu Hause eingeschlafen“, wie es die Familie in ihrer Traueranzeige formuliert.

Der gebürtige Bielefelder war als Spieler ein knallharter Stopper, der auf dem Platz nicht nur verbal die Keule herausgeholt haben soll. Von 1957 bis 1964 bestritt Türk für den VfL Osnabrück – seinerzeit einer der größten Konkurrenten des FC St. Pauli in der bis 1963 erstklassigen Oberliga Nord – 168 Ligapartien. Nach einer Meniskus-OP musste er seine aktive Laufbahn allerdings vorzeitig beenden und stieg anschließend als Trainer beim VfB Bielefeld ein. 1968 schließlich übernahm er beim FC St. Pauli die Cheftrainer-Position von Heinz Hempel.

In einem früheren Interview schilderte Erwin Türk seinen ungewöhnlichen Einstieg beim Kiezklub ebenso lapidar wie von sich selbst überzeugt: „Nachdem ich mich schriftlich auf den Job beworben hatte und nach einer Woche noch keine Antwort erhielt, rief ich kurzerhand auf der Geschäftsstelle an, machte einen Termin und traf mich zwei Tage später mit Präsident Wilhelm Koch.“ Und weil der bis dahin in der Branche quasi unbekannte Türk dem Präsidenten einen Gehaltsvorschlag zum Einstieg weit unter Normalniveau unterbreitete, konnte der Vereinschef scheinbar auch deshalb nicht Nein sagen.

Dass Koch damit eine durchaus gute Wahl getroffen hatte, bewies der erst 33 Jahre junge Chefcoach in den nächsten drei Spielzeiten: Trotz eines riesigen Umbruchs im Team – u. a. hatte der langjährige Mannschaftskapitän Ingo Porges seine Laufbahn beendet – belegte man die Tabellenplätze 3, 4 und 2. Die zwar nicht zum erhofften Aufstieg in die 1. Bundesliga reichten, aber die Vizemeisterschaft 1971 berechtigte immerhin zur Aufstiegsrunde für die Beletage: Türks größter sportlicher Erfolg am Millerntor, auch wenn es zum Sprung ins Oberhaus letztlich nicht reichen sollte. Erwin Türks bitterstes Erlebnis beim FC St. Pauli hingegen war wohl im Juli 1969 in der DFB-Pokalqualifikation die 0:1-Niederlage seines Zweitligateams gegen die eigenen Amateure, die seinerzeit gerade in die drittklassige Landesliga aufgestiegen waren. Türks Kommentar damals: „Es ist eine Katastrophe!“

Keine Katastrophe, sondern ein Neuanfang war für Erwin Türk, ebenso wie für den FC St. Pauli, 1971 dessen Abgang zum „Heimatverein“ VfL Osnabrück, der zuvor in allen drei Saisons seine Nase vor St. Pauli ins Ziel gebracht hatte und jeweils zum Staffelmeister avancierte. Türks Abgang stand allerdings schon im Oktober 1970 so gut wie fest. „Ich bin kein sesshafter Typ, drei Jahre sind genug“, formulierte er bereits ein halbes Jahr vor seinem offiziellen Abschied.

Unvergessen blieb Erwin Türk, im Volksmund oft auch „Ata“ genannt – angelehnt an den Namen des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk –, beim FC St. Pauli aber nicht nur ob der sportlichen Resultate. Als man beispielsweise zur Saison 1969/70 im „Kicker“ per Anzeige einen „Stürmer mit Regionalligaformat“ suchte, sorgte dieses Novum bundesweit für Medienschlagzeilen. Ausgedacht hatte sich diese Stellenanzeige Türk selbst und ging mit St. Paulis damaligem Geschäftsführer Walter Windte gemeinsam diesen ungewöhnlichen Weg – am Ende allerdings vergebens. Und dass ein Cheftrainer vom Verein anlässlich der Trennung ein aussagekräftiges Abschlusszeugnis erhält, zählt auch eher zu den sympathischen Seiten in der ansonsten meist so rauen Fußballwelt.

Den beiden erfolgreichen Trainerjahren beim VfL Osnabrück folgten 1973 ebenso viele positive bei Borussia Neunkirchen, ehe der Ostwestfale noch für ein halbes Jahr den Zweitligisten Eintracht Bad Kreuznach übernahm. Anfang 1977 musste Erwin Türk dann allerdings aus gesundheitlichen Gründen seine Trainerlaufbahn beenden. Seinen Humor verlor Türk allerdings nie – und der wird zukünftig nicht nur seiner Familie fehlen, der wir auf diesem Wege unser herzlichstes Beileid aussprechen möchten. Erwin Türk wird am 21. November auf dem Friedhof von Leer beigesetzt.

Text: Ronny Galczynski