Erster Stolperstein für Fußballer des FC St. Pauli
Selig Cahn: FC St. Pauli-Museum erinnert an jüdischen Offensivspieler und mutmaßlichen Mitgründer der Schach-Abteilung
Mittwoch, 5. Juni 2024, 14 Uhr
Über jüdische Fußballer*innen im FC St. Pauli und seinem Vorgängerverein war lange Zeit wenig bekannt. Das ändert sich: Im Rahmen des Projekts „FC St. Pauli vor 1945“ hat die Forschung des FC St. Pauli-Museums nach ihrer viel beachteten Ausstellung über Max Kulik eine weitere Sportler-Biografie rekonstruiert. Bei einer Stolperstein-Einweihung mit anschließender Abendveranstaltung im FC St. Pauli-Museum am Millerntor erinnerten die Anwesenden an Selig Cahn und seine Familie.
Selig Cahn wurde nicht einmal 50 Jahre alt. Am 11. Juli 1942 wurde er mit seiner Familie über Bielefeld und Berlin nach Auschwitz deportiert und wahrscheinlich direkt nach der Ankunft ermordet. Seine Kinder Bertha und Meno waren zu diesem Zeitpunkt 13 und 10 Jahre alt. Es war der erste direkte Transport von Hamburg nach Auschwitz.
Selig Cahn überlebte den Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise 1929. Er erlebte den Zerfall des Deutschen Kaiserreiches, den Beginn und den Untergang der Weimarer Republik und den Aufstieg des Nationalsozialismus. Er wurde ausgestoßen, entrechtet, verfolgt, ermordet und vergessen.
Gläubiger Jude und talentierter Fußballer
Selig Cahn war Vater, Ehemann, Bruder, Onkel und Freund. Er war gläubiger Jude und Teil der jüdischen Gemeinde Hamburgs. Und: Er war ein begeisterter und talentierter Fußballer. Im August 1912 trat er der Fußballabteilung des Hamburg-St. Pauli-Turnvereins bei, die später zum FC St. Pauli von 1910 wurde.
Selig Cahn spielte mit den späteren FC St. Pauli-Präsidenten Wilhelm Koch und Hans Friedrichsen und bildete mit dem jüdischen Arzt und Fußballer Max Kulik eine gefürchtete Angriffsreihe. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg, wurde mehrfach verwundet – und spielte auch nach seiner Rückkehr Fußball für Braun-Weiß, wie Erwähnungen in der Sportpresse beweisen.
Mitgründer der Schachabteilung?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit begleitete Selig Cahn auch die Abspaltung der Fußballabteilung vom Hamburg St. Pauli Turnverein (1924) – und schrieb möglicherweise auch in einer anderen Sportart Vereinsgeschichte: In einer Jubiläumsschrift des FC St. Pauli von 1960 wird ein „Ali“ Cahn als Gründer der ersten, noch inoffiziellen Schachabteilung des FC St. Pauli im Jahre 1929 genannt.
Waren „Ali“ und Selig Cahn identisch? „Dafür spricht, dass wir trotz intensiver Recherchen auf keinen anderen Fußballer mit dem Namen Cahn im Hamburger Sport gestoßen sind“, so Celina Albertz aus dem Forschungsteam des FC St. Pauli-Museums. „Außerdem unterschrieb Selig Cahn Feldpostbriefe an seine Mitspieler regelmäßig mit ‚A. Cahn‘, was eindeutig auf einen Spitznamen mit dem Anfangsbuchstaben ‚A‘ hindeutet – Spitznamen für Fußballer waren damals eine gängige Praxis.“
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