Nachruf auf Hans-Joachim Thoms

Torhüter Hans-Joachim "Hansi" Thomas im Einsatz gegen Holstein Kiel im April 1967.
Torhüter Hans-Joachim „Hansi“ Thomas im Einsatz gegen Holstein Kiel im April 1967.

Wieder ein Guter weniger auf diesem Erdenball: Bereits vor drei Wochen, das haben wir leider erst in diesen Tagen erfahren, verstarb Hans-Joachim Thoms 87-jährig in seinem Heimatort Harsefeld im Landkreis Stade.

1960 kam der Tormann vom VfL Stade zum FC St. Pauli. Zu einer Zeit als noch solche Vereinsgrößen wie Peter Osterhoff, Ingo Porges, Rolf Bergeest, Horst Haecks, Heinz Deininger oder auch Werner Pokropp ihre Fußballschuhe am Millerntor schnürten. Und es gab da noch Torwartlegende Harry Wunstorf, dessen Nachfolge Thoms antreten sollte. Mit Erfolg, wie man heute weiß, denn der auf der Linie starke, aber in der Strafraumbeherrschung mit Luft nach oben agierende Niedersachse – zumindest schrieben dies damals die sogenannten Fußballexperten – blieb neun Jahre bei den Braunweißen, dabei von 1963-1966 als unumstrittene Nummer Eins.

Ich habe „Hansi“, wie ihn hier alle nannten und kannten, selbst als kleiner Buttje an Trainings- und Spieltagen live erlebt, und da ich damals bei St. Pauli meist selbst als Torhüter unterwegs gewesen bin, war Hansi Thoms natürlich eins meiner Idole. An einem Heimspieltag Mitte der 1960er-Jahre habe ich sogar einmal auf der Trainerbank neben Kurt „Jockel“ Krause (Coach von 1965-1967) Platz nehmen dürfen, um von dort aus mein Vorbild zu bewundern und anzufeuern. Der Grund: mein erster Aufsatz für die „Volksschule“ in der Seilerstraße. Bei Thoms’ erster Pflichtpartie für den FCSP war ich allerdings noch nicht dabei. Das war eine Nachholpartie gegen den VfB Oldenburg am Silvestertag 1960 (2:3).

Der gelernte Steuerbeamte kam Anfang der 1960er-Jahre insofern zu einer schwierigen Zeit zum FC St. Pauli, da am Millerntor nicht nur die Trainerwechsel seinerzeit überhand genommen hatten – Thoms erlebte nicht weniger als sechs Übungsleiter, zuletzt in der Saison 1968/69 den auch erst kürzlich verstorbenen Erwin „Ata“ Türk – sondern auch, weil sich durch den Umzug ins neu gebaute Stadion 1961 eine neue Problemzone aufgetan hatte: Beim Stadionneubau war nämlich versäumt worden, eine funktionierende Drainage mit einzubauen, und im Mai 1962 wurde darum der quasi frisch errichtete Fußballplatz bis zum November 1963 gesperrt. Sodass das Kiezteam in genau jener Phase, als es um die Qualifikation für die neu zu schaffende 1. Bundesliga ging, ausschließlich „Auswärtsspiele“ hatte – oft beim SC Victoria – und entsprechend schlecht als lediglich Tabellensechster die Saison abschloss. Wer weiß, wo Hans-Joachim Thoms seinerzeit noch gelandet wäre, wenn er sich ab der Spielzeit 1963/64 in der 1. Bundesliga hätte präsentieren können. Stattdessen beendete er 1969 – nachdem ihn Klaus Christensen von 1966 an peu a peu als Stammkeeper abgelöst hatte – als 30-Jähriger seine aktive Laufbahn mit dem Abschied vom Millerntor. Seine letzte Partie für den FC St. Pauli bestritt Thoms am 22. September 1968 beim 2:2-Auswärtssieg gegen den SC Sperber, als er in der 37. Spielminute für den verletzten Christensen ins Spiel kam – Thoms’ einziger Saisoneinsatz. Insgesamt bestritt der Schlussmann 41 Oberliga und 120 Regionalligapartien für den FC St. Pauli. Eins davon übrigens am 6. Juni 1964, als Franz Beckenbauer im Volksparkstadion in der Aufstiegsrunde gegen uns sein erstes Pflichtspiel und -tor für den FC Bayern München aufs Parkett gelegt hatte.

Noch im Juli 2021 hatten wir Thoms in seinem Zuhause in Harsefeld besucht, um dort mit ihm ein Interview für das Zeitzeugenprojekt unseres Museums zu führen. Es war ein sehr offenes und konstruktives Gespräch, und ich war sehr glücklich darüber, mit meinem damaligen Idol nun einige Jahrzehnte später auch nochmal persönlich sprechen zu dürfen. Jetzt hat Hans-Joachim Thoms diese Welt verlassen, und unsere mitfühlenden Gedanken sind an dieser Stelle bei seinen trauernden Verwandten und Freunden.

Text: Ronny Galczynski/Foto: Holstein-Archiv